Samstag, 10. Dezember 2011

Fazit der Wahrscheinlichkeitsforschung

Ja, lieber Leser, dieses Blog ist hässlich. Aber es ist alt und nun verstorben und über Tote spricht man nicht schlecht. Zumindest ihr nicht. Überhaupt spricht eigentlich niemand über die hiesige Seite, die hier zwischen Dornröschenschlaf und transparenter Todesstarre oszilliert. Dabei ist das Konzept intelligenter und aufklärerischer als euer Kopf denken kann - wenn ihr mir folgen könnt. Gonzo zieht nun einen Schlussstrich unter diese Orakelforschung und versucht zumindest ein Paar Brocken Wissen mit in die Zukunft zu nehmen. Was hat's gebracht?

"What the fuck ist Wahrscheinlichkeitsforschung? Können das nicht die Naturwissenschaftler machen? Ich meine: Wofür gibt es denn die Spieltheorie oder die Stochastik?" Eine gute Frage, kleiner Troll in der ersten Bildschirmreihe. Wenn auch eine sehr wahrscheinliche Frage. Der Szientismus mit seinen Zahlenspielen hat uns immerhin über den Kalten Krieg gerettet, da Amerikaner und Sowjets zu lange darüber nachdenken mussten, ob es sich lohnt, als erster den Roten Knopf zu drücken (Stichwort 'Gefangenendilemma', Spieltheorie). Den freiwilligen Zusammenbruch der Sowjetunion konnte jedoch kein Spieltheoretiker erklären. Er war unlogisch.

Diese Logik ist jedoch ein interessantes Moment, denn die Geschichtsschreibung geht immer davon aus, dass es eine Logik, eine Kausalität gab. Bereits die Griechen kannten hier auch eine nichtmathematische Wahrscheinlichkeit, die sie besonders in Gerichtsprozessen in Szene setzten. Allein die Überlegung, dass es unlogisch und absurd gewesen wäre, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, wurde als rhetorisches Kampfmittel genutzt, um die Richter von der Unschuld zu überzeugen. Die Logik der Wahrscheinlichkeit (eikos) wird hier zum Argument für Leben und Tod.

In unserer mediatisierten Gesellschaft, in der Handlungen von Öffentlichen Personen meist als Überschrift in unser Bewusstsein drängen, ist diese Logik wieder aktiv. Jeder Politiker bastelt bereits an seiner Geschichtsschreibung und kämpft gegen die Schubladen und Narrative, die selbstherrliche Medien schnell und abfällig über ihr Handeln stülpen. Die Überraschung ist im Sinne der Nachrichtenwerttheorie ein zentrales Argument dafür, dass eine Meldung verbreitet wird. Wir befinden uns also in einer Welt voller Wahrscheinlichkeiten. Dies bedeutet Kommunikations-Strategie pur.

Der Headlineforecast auf ..Upcoming ist Taktik. Er war mal als selbstpädagogisches Projekt mit vielen Autoren und Beiträgern gedacht, die spielerisch auf die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Headlines setzen. Ich persönlich denke immer schon szenarisch und deklinatorisch: Welche möglichen Szenarien gibt es? Ich habe viele Freunde und Bekannte eingeladen, beizutragen. Sie haben mir bestätigt, dass dies ein ganz anderes Denken sei, über die mögliche Zukunft nachzudenken, dass man dafür den Kopf ganz anders einstellen müsse. Ob dies nun eine Ausrede war, oder tatsächlich ein allgemeiner Befund weiß ich nicht. Das Wissen über Wahrscheinlichkeiten der Zukunft ist zumindest eher nicht empirisch und erschreckt damit wohl Wissenschaftlerköpfe. (Ich plädiere ja grundsätzlich für mehr "Künstlerische Forschung")

Wurden von mir Headline-Wetten gewonnen? Eher wenige. Manches liegt auch noch in der Zukunft. Ich empfehle im Sinne der Medienkompetenz jedoch jedem Staatsbürger diese Übung. Das Spiel ist nicht tot. Denn es ist gesellschaftliche Realität. Ich empfehle in Zukunft jedoch ordentlich gesetzte Tags für Ressorts in Abgrenzung zu 'allgemeinen Prognosen'; außerdem Aspekte der Schwarmintelligenz, um einzelne Forecasts im Schoß der 'Weisheit der Vielen' wachsen zu lassen. Damit in Zukunft auch die allgemeine Überraschung über z.B. eine Rückkehr Guttenbergs gemindert wird - denn sie war sehr sehr wahrscheinlich.

Wen es interessiert: Zum Thema Netzrhetorik schreibe ich in Zukunft auf diesem Blog und auf diesem Twitterkanal. Hier ein sehr schöner Beitrag zur Selbstgeschichtsschreibung und dem Stil von KT Guttenberg.

Ich grüße alle Zukunftstheoretiker und solche, die es noch werden wollen,
Felipe Gonzo

Keine Kommentare: